Beitragvon Marie Antoinette » 12.04.2007, 20:06:08
Ein bißchen Fortsetzung hab ich noch aus der Zeit vor der Ideenlosigkeit, also mach ich doch mal weiter...
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Am nächsten Morgen war Sisi wie meistens schon früh wach – obwohl sie eigentlich ja nicht in Wien war und man von ihr nicht erwartete, bereits um fünf Uhr aufzustehen. Am liebsten hätte sie jetzt genau das gemacht, was sie in Wien nicht konnte, nämlich einfach draußen herumlaufen ohne dass Sophie oder die strengen Hofdamen etwas dagegen einwenden konnten… aber irgendwie würde es Wien bestimmt erfahren. Sie wusste nämlich abgesehen von Ida nicht, wem sie vertrauen konnte.
So kam es, dass sie sich noch einmal hinlegte und für ihre Verhältnisse sehr spät wieder aufstand.
Entgegen aller Regeln saß Sisi etwas später in ihrem Zimmer beim Frühstück und überflog die Post.
„Nichts wirklich Interessantes dabei, also nichts wie weg mit den Schreiben, bevor ich mich noch zu Tode langweile mit diesen ganzen Belanglosigkeiten“, bemerkte sie und drückte Ida den ganzen Stapel Briefe wieder in die Hand. „Ich bin den dritten Tag hier, es kommt so viel Post, aber was interessiert mich, was gerade in Wien passiert? Auch hier gibt es einiges zu regeln…“
„Und dieser Brief hier?“ Ida legte den Umschlag, den sie meinte, wieder vor Sisi auf den Tisch. „Es könnten doch wichtige Nachrichten sein.“ – „Wohl eher nicht“, winkte Sisi ab ohne auch nur einen Blick auf den Umschlag zu werfen, „denn was wird mir der Kaiser schon schreiben? Dass ich schnell zurückkommen soll…“
„Vielleicht weil etwas passiert ist! Warum seid Ihr denn heute so uneinsichtig, Majestät?!“
Ida verstand die Welt nicht mehr.
Gleichzeitig fragte sie sich jedoch, ob sie vielleicht in ihrer Verwunderung etwas zu viel gesagt hatte. Stand es ihr denn als einfache Bedienstete – nicht einmal als Hofdame hatte man sie am Hof zulassen können - zu, Elisabeth als „uneinsichtig“ zu bezeichnen?
„Ich, uneinsichtig?“
fragte Sisi auch schon.
Es klang aber fast so, als hätte sie am liebsten darüber gelacht.
„Ich weiß genau, was ich tue, Ida. Ich war mir meiner Sache selten so sicher. Und wenn ich mir den Brief nicht anschauen will, mache ich das auch nicht.“ - „Natürlich nicht“, gab Ida ihr sofort Recht.
Sisi zerriss den Umschlag ohne das Schreiben gelesen zu haben und versteckte die Papierfetzen unter dem Frühstückstablett. „So, dann kann das nachher gleich weggeworfen werden. Am liebsten würd ich jetzt erst Recht ganz lange hier bleiben.“
Ida schüttelte kaum merklich den Kopf.
Ihr war ja bekannt, dass Elisabeth eigentlich alles was mit dem Wiener Hof zusammenhing, nicht leiden konnte – aber irgendwie kam es ihr heute so vor, als hätte sie einen regelrechten Hass auf die Nation, deren Kaiserin sie war, entwickelt.
„Also…“
Sie wollte etwas sagen, unterließ es aber besser.
Auch Sisi setzte an, etwas zu sagen, aber auf einmal wurde sie von Stimmen auf dem Gang davon abgehalten. Die Stimmen waren erst leise, wurden dann aber immer lauter, als ob die beiden Männer, denen sie gehörten, dem Zimmer näher kamen.
„… muss unbedingt mit der kaiserlichen Hoheit sprechen.“ – „Das geht jetzt nicht.“ – „Das soll sie mir selbst sagen. Lassen Sie mich vorbei. Auf der Stelle.“ – „Auf keinen Fall. Auch Sie haben sich an das Zeremoniell zu halten!“ – „Wir sind hier nicht in Wien, und wie gesagt, das kann sie mir selbst sagen. Sie hält eh nicht viel von diesem ganzen Zeremoniell.“ Für einen kurzen Moment herrschte Stille, dann polterte die zweite Stimme, die einer der Wachposten gehörte, los:
„Wie können Sie sich erlauben, so über unsere Majestät zu sprechen! Graf, das ist eine derartige Anmaßung, … Eine solche Unverfrorenheit… das ist mir schon lange nicht mehr untergekommen, dafür sollten Sie…“
Sisi musste sich das Lachen verkneifen. Fast hätte sie sich an ihrem Frühstück verschluckt.
Im nächsten Moment wurde die Tür aufgerissen.
„Ihr gestattet, kaiserliche Hoheit?“
- „Graf Andrássy!“ rief Sisi und stand auf. Die Verwunderung, die in diesem Ausruf lag, musste sie nicht einmal vortäuschen. Es überraschte sie tatsächlich, ihn zu sehen – obwohl sie nach der Unterhaltung draußen auf dem Gang schon gewusst hatte, dass er es war. „Was verschafft mir die Ehre?“
„Ich hoffe, Ihr entschuldigt diesen Überfall, aber ich musste unbedingt mit Euch sprechen.“